Unternehmen Barbarossa im Bild - Der Russlandkrieg Fotografiert von Soldaten
Es war eine überraschende Entdeckung, die Paul Carell bei den Recherchen für seine Bücher über den Rußlandkrieg machte: Er fand über fünftausend sehr gut erhaltene Farbdias, die alle Wirren überstanden hatten, und Tausende von unveröffentlichten Schwarzweiß-Fotos dazu; Schätze, die jahrelang in Alben, Kästen und Kartons geschlummert hatten, geknipst von Soldaten, Offizieren und Kriegsberichtern an allen Fronten und in allen möglichen Situationen des deutsch-sowjetischen Krieges - für das Album, zur persönlichen Erinnerung.
Doch inzwischen haben diese Fotos eine andere Bedeutung bekommen: Sie sind unentbehrliche Zeugen der Zeitgeschichte geworden. Der Mensch will nicht nur das Wort begreifen, er will sehen - selbst in Augenschein nehmen. Deshalb entschlossen sich Autor und Verlag, das reiche Fotomaterial auszuwerten und daraus einen Bildband zu machen, der Carells Textbände über den Ruflandkrieg umfassend illustriert. Kein Bildband im herkömmlichen Sinne, keine unpersönliche, anonyme Bildreportage, sondern die optische Übersetzung der geschriebenen Chronik.
Eine besondere Rolle kommt dabei den Farbfotos zu. Man darf sie mit Fug und Recht sensationell nennen; denn bisher war unbekannt, daß es aus dem Rußlandfeldzug überhaupt Farbbilder solcher Art und in solchem Umfang gab. Sie stellen in unserer optisch orientierten Welt ein neues Element für die Berichterstattung über dieses Drama dar. Deshalb hat ihnen Carell in seinem Bildband auch einen besonderen Rang zuerteilt.
Was Carell in seinen Welterfolgen Unternehmen Barbarossa und Verbrannte Erde in Worte faßte, das lassen die im Kampfgeschehen und im weiten russischen Land gemachten Fotos sichtbar werden. Alles! Und weil im Krieg nicht ständig gekämpft, gestorben, getötet wird, sondern vor allem gelebt, stellt Carell neben dem kriegsgeschichtlich bedeutsamen Au-genblick auch den Alltag des Soldaten und die Szenerie des Dramas vor Augen: die Städte, die Dörfer, die Weiler und ihre Bewohner, wie sie Millionen deutscher Soldaten erlebten. Und nicht zu vergessen die Flüsse, die Rollbahnen und die berühmten Brücken.
Neben dem dramatischen Bild vom Kampf und von der Aktion steht das instruktive Foto vom Leben im Hinterhof des modernen Krieges: die Feldpost und die Feldbäckerei, die Instandsetzungswerkstatt und das Fronttheater, der helfende Sanitäter während der Schlacht und der Chirurg im Operationszelt. Da sind die uralten Motive im Leben des Soldaten: Die Zigarette, das Brot, der Kamerad und das Gesicht der Frau, die ihm begegnet. Da ist der Tod. Und das Grab. Schließlich auch die düsteren Zeichen von Gewalt und Rache. Und immer von beiden Seiten gesehen.
Denn wie in seinen Textbänden erschließt Carell auch hier in seinem Bildband die Quellen des ehemaligen Gegners: die Bildarchive der Russen. Mit Unterstützung der sowjetischen Botschaft und der Agentur Nowosti konnten aus der Sowjetunion über vierhundert dokumentarische Fotos beschafft und ausgewertet werden. Sie zeigen, was kein deutscher Bildberichter sah: die andere Seite der Schlacht, von der anderen Seite fotografiert. Auf diese Weise ist der Bildband wieder ein echter Carell: sachlich, aufrichtig, packend und aufschlußreich.